Roggenmischbrot mit langer und kühler Gare
Immer wieder und vermehrt tauchte in Backkursen sowie am Blog folgende Frage auf: Kann ich auch Roggenbrote oder Roggenmischbrote über die kalte und lange Gare führen? Ich antwortete immer mit der selben Antwort: Ich sehe keine Sinn- und Notwendigkeit in der Herstellung von Sauerteigbroten über die kühle Gare.
Ich wusste das es funktioniert, aber ich hatte mehr Nachteile als Vorteile in dieser Herstellung gesehen:
- säuerlicher Geschmack: Durch die lange und kühle Gare muss die Sauerteigmenge angepasst werden. Bei einer zu hohen Dosierung übersäuert der Teigling bei der langen Teigreife.
- schwer den genauen Garepunkt zu erwischen: Weizenteige haben einen viel höhere Gärstabilität als Roggenlastige Teige. Roggen- & Roggenmischbrotteige müssen auf den Punkt genau eingestellt werden. Man kann und darf nicht erwarten, das bei einer eventuellen Untergare der Teigling kurz einmal 30-60 Minuten bei Raumtemperatur akklimatisiert und nachreift! Durch seine hohe Dichte des Teiges und der durchgekühlten Teigtemperatur von 5°C dringt nur schwer Wärme ins Kerninnere! Der genaue Garepunkt muss daher durch mehrere Backversuche angepasst und höchster Sorgfalt eingehalten werden.
- Beigabe von Backhefe: Meine ersten Versuche waren alle samt einer kleinen Hefemenge versehen! Grund hierfür war die gewählte Sauerteigführung. Für meine ersten Backversuche wählte ich die klassische und einfache Grundsauerführung! Der Grundsauer kann direkt aus dem Kühlschrank ohne einer Auffrischung verwendet werden. Somit ist eine schnelle und rationelle Herstellung gewährleistet.
- Teigstabilität solcher Teige auf der langen Gare: Ich war überrascht, welch hohe Gärstabilität solche Teige auf der langen Gare zeigten! Du kannst ohne Bedenken 100% Roggenbrote ohne Gärkörbchen auf die lange Gare stellen. Durch den Abkühlprozess findet rasch eine Verhautung der Teigoberfläche statt. Diese bringt dem Teigling Stabilität. Wichtig ist es aber, den Teig in seiner Herstellung etwas fester zu führen.
- Teigtemperatur: Bei sofortigen Abbacken der Teiglinge wird meist eine Teigtemperatur von 32-33°C angestrebt. Bei langer Gare sollte die Teigtemperatur auf 25-27°C gedrückt werden. Durch die niedrigere Teigtemperatur ist eine gleichmäßiger Gärprozess auf der Gare gewährleistet. Dies zeigt sich in einer gleichmäßigen Porenbild.
- Teigreife vor der Aufarbeitung: Bei diesem Herstellungsverfahren muss der Teigling sofort nach der Teigherstellung aufgearbeitet werden. Die maximale Teigreife von 15 Minuten sollte nicht überschritten werden.
- Backverhalten: In diesem Punkt habe ich derzeit noch die geringste Erfahrung! Da der Teigling mit einer Kerntemperatur von 5-6°C in den Ofen geschoben wird, fällt der erwartete Ofentrieb nur gering aus! Erwartete Krustenrisse sind hier fehl am Platz. Der Teigling zeigt auch nach 15 Minuten Anbackphase noch weitere und stetige Volumenzunahme.
Jeder weiß, das sich nach wenigen Minuten Backzeit eine gewisse Krustenhaut gebildet hat. Der spät einsetzende Ofentrieb reißt das Brot ungewollt an nur wenigen Stellen auf. Krustenrisse sind dadurch schwer zu steuern und man kann kaum Einfluss auf diese so wichtige Ofenarbeit nehmen. Meine Erfahrungen werde ich diesbezüglich in den kommenden Beiträgen veröffentlichen.
FAZIT
Teigherstellung und Teigführung sind mit äußerster Sorgfalt einzuhalten. Die Sauerteigmenge wird durch die Dauer der kühlen Gare bestimmt – je länger die kühle Gare, desto geringer die Sauerteigmenge!
Im Geschmack kam für mich die größte Überraschung! Ein unglaublicher Duft von frischen Getreide durchzog die Krume. Obwohl kein Koch- oder Brühstück oder ähnliches verwendet wurde, war dieses Brot in seiner Herstellung unglaublich in der Frischhaltung. Auch nach dem 5 Tag war die Krume noch feucht und jede einzelne Brotscheibe war ein Hochgenuss.
Rezept
für ein Teiggewicht von 1877
Sauerteig / Grundsauer
300g | Roggenmehl Type 960/997 |
150g | Wasser 30°C |
30g | Anstellgut vom Roggensauerteig |
- In der Knetmaschine all in 6 Minuten langsam mischen. Anschließend bei Raumtemperatur / 15-24 Stunden reifen lassen. Sollte der Sauerteig länger reifen, wird dieser bis zur Verwendung im Kühlschrank zwischen gelagert.
Hauptteig
400g | Roggenmehl Type 960/997 |
300g | Weizenmehl Type 700 |
480g | reifer Grundsauer |
650g | Wasser |
22g | Salz |
20g | Brotgewürz |
5g | Hefe |
Herstellung
- Grundsauer im Wasser auflösen.
- Anschließend mit den restlichen Zutaten zu einem glatten Teig mischen.
Mischzeit: 6 Minuten langsam und 2 Minuten schnell. - Danach den Teig max. 15 Minuten reifen lassen.
- Den Teig zu einem runden Laib formen und in bemehltes Gärkörbchen mit Teigschluss nach unten ins Gärkörbchen legen.
- Der geformte Teigling wird anschließend im Kühlschrank auf die kühle Gare gestellt. Der Teigling sollte im Haushaltskühlschrank die ersten 2 Stunden nicht mit Plastik abgedeckt werden. Erst nachdem der Teigling abgekühlt ist, wird dieser mit Plastik abgedeckt.
- Reifezeit 12-14 Stunden.
- Gebacken wird der Teigling im vorgeheizten Backrohr bei 240°C fallend 200°C mit kräftigen Schwaden. Schwaden “nicht” ablassen, da der Ofentrieb beim Teigling später einsetzt.
- Backzeit ca. 60 Minuten. Sollte das Brot nach 50 Minuten eine zu geringe Bräunung zeigen, sollte die Backtemperatur auf 230°C angehoben werden.





73 Kommentare
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Volkmar Pötschke
Hallo in die Runde.
Ich bin grad dabei dieses Brot zu backen, aber irgendwie passt dass mit dem Teiggewicht nicht. Im Rezept steht 1267g. Addiere ich aber alle Zutaten vom Hauptteig sind das ja 1877g?
Ich hab das jetzt gemacht, aber der Teig kommt mir sehr „flüssig“ vor.
Kann jemand was dazu sagen?
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Dietmar Kappl
Mein Fehler!!
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Bobby
Alle Zutaten ergeben 1877. Teiggewicht soll 1267 sein? Wo ist mein Denkfehler?
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Dietmar Kappl
Sorry ich habe es schon gesehen – bessere es gleich aus!
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Moritz
Hi Dietmar,
danke für das tolle Rezept! Das mit dem verspäteten Überziehen des Plastiks im Haushaltskühlschrank hat mich überrascht. Sollte man das generell bei jeglicher Stück- oder Stockgare im Haushaltskühlschrank so machen?
LG
Moritz
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Dietmar Kappl
Hallo Moritz,
ja ich empfehle die Teiglinge immer zuerst abkühlen zu lassen und erst danach mit Plastik abzudecken – bringt viel schönere und gleichmäßigere Ergebnisse zu Tage 😉
Lg. Dietmar
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Uli
Hallo, zusammen… , lieber Dietmar,
alles, was Du da schreibst verstehe ich und kann das nachvollziehen. Dazu kann ich aber meine eigene Geschichte aus der Praxis erzählen.
In meiner grenzlosen Naivität habe ich all das, was Du dort als “Fehler” beschreibst, so schon seit längerer Zeit getrieben.
Als Basis habe ich Dein Rezept für Pane Sera genommen. Da sind ja in einer Variante 400g ST drin. Bei einer TA von 175 habe ich dann fröhlich drauflos experimentiert. Ich habe dort manchmal bis zu 40-45% Roggenmehl drin. Mal 1150, mal Vollkorn. Manchmal habe ich auch einen Teil des 550er mit Weizenvollkorn ersetzt. Gut ausgeknetet hat der Teig bei mir immer 12-14 Stunden im Kühli verbracht, manchmal sogar länger. Früh wird der Ofen angeheizt und erst kurz vor dem Backen der Teig aus der Kühlung geholt. Bei der Aufarbeitung habe ich lediglich den Teig geteilt ud „über den Tisch gezogen“ ohne zu entgasen. Dann eingeschnitten und so kalt, wie er aus der Kühlung kam, eingeschossen.
Also das Ofenkino klappt. Heraus kommt ein Brot, von dem ich jede Woche schon 8 Laibe backen muss, weil alle Freunde danach förmlich Schlange stehen. Es schmeckt auch wunderbar aromatisch und nach Getreide – kein bisschen sauer. Das habe ich auch schon mit Quellstück aus Saaten und/oder Nüssen „gepimpt“. Alles super.
Der Vorteil der Vorgehensweise für mich – zum Frühstück um 8 ist ein noch lauwarmes Mischbrot mit schöner Kruste auf dem Tisch.
Eigentlich alles falsch gemacht – aus ST Sicht – und trotzdem ein wunderbares Ergebnis.
Nur für die Figur fatal…
LG aus dem Brandenburgischen
Uli
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Dietmar Kappl
Uli dein Brot ist der Hammer – tolle Krume 🙂 🙂
Kann ich mir gut vorstellen das du dafür viel Abnehmer hast 🙂
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Peter
Hallo Dietmar,
ich habe einmal einen Hinweis von dir von den Füßen auf den Kopf gestellt. ” Der Topf (Bräter) verzeiht viele Fehler!” Ich meine, der Topf (Bräter) reduziert die Anforderungen an die Teigbearbeitung. Ähnliche einfache Brote wie dein Mischbrot backe ich seit längeren bei Anforderung. Weizenlastige Brote generell. Das “Wilde Aufreißen” vermeide ich, wenn gewollt durch die Krempelung des Teiges vor der kalten Gare. Der Ausbund verläuft dann an der Krempelstelle.
Fazit: Die Drei Königs Kriterien der Brotbrüder gelten nicht nur allgemein, sondern erst recht bei diesem zwar augenscheinlich “Einfachen Teig°, aber sehr anspruchsvollen Prozedere. Das Foto zeigt ein Götz v. B nach Dietmar mit kalter Gare und im Topf gebacken aus 2016. Allerdings auch mit Pâte fermentée. Muss aber nicht. Wichtig ist die Reduzierung des Sauerteigs bis zu 25 % gegenüber der normalen Stückgare.
Übrigens, viele Mischbrote gewinnen durch die Kalte Gare.
LG Peter
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Bobby
Hallo Peter, du schreibst: „Das “Wilde Aufreißen” vermeide ich, wenn gewollt durch die Krempelung des Teiges vor der kalten Gare. Der Ausbund verläuft dann an der Krempelstelle.“ Ich verstehe das Wort „Krempelung“ in diesem Zusammenhang nicht. Wie muss ich mir das vorstellen? Grüße aus Berlin.
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Peter
Hallo Bobby, wenn der Teig nach der Stockgare vor dir liegt, bei mir ein wenig flach gedrückt oder gezogen, wird der Teig von hinten nach vorn eingerollt, analog zum Baguette. Siehst du auch bei Dietmars Baguettevideo. https://www.homebaking.at/baguetteteig-auswiegen-und-vorformen/
Grüße aus Ostbrandenburg.
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uli
Hallo, zusammen… , lieber Dietmar,
alles, was Du da schreibst verstehe ich und kann das nachvollziehen. Dazu kann ich aber meine eigene Geschichte aus der Praxis erzählen.
In meiner grenzlosen Naivität habe ich all das, was Du dort als “Fehler” beschreibst, so schon seit längerer Zeit getrieben.
Als Basis habe ich Dein Rezept für Pane Sera genommen. Da sind ja in einer Variante 400g ST drin. Bei einer TA von 175 habe ich dann fröhlich drauflos experimentiert. Ich habe dort manchmal bis zu 40-45% Roggenmehl drin. Mal 1150, mal Vollkorn. Manchmal habe ich auch einen Teil des 550er mit Weizenvollkorn ersetzt. Gut ausgeknetet hat der Teig bei mir immer 12-14 Stunden im Kühli verbracht, manchmal sogar länger. Früh wird der Ofen angeheizt und erst kurz vor dem Backen der Teig aus der Kühlung geholt. Bei der Aufarbeitung habe ich lediglich den Teig geteilt ud „über den Tisch gezogen“ ohne zu entgasen. Dann eingeschnitten und so kalt, wie er aus der Kühlung kam, eingeschossen.
Also das Ofenkino klappt. Heraus kommt ein Brot, von dem ich jede Woche schon 8 Laibe backen muss, weil alle Freunde danach förmlich Schlange stehen. Es schmeckt auch wunderbar aromatisch und nach Getreide – kein bisschen sauer. Das habe ich auch schon mit Quellstück aus Saaten und/oder Nüssen „gepimpt“. Alles super.
Der Vorteil der Vorgehensweise für mich – zum Frühstück um 8 ist ein noch lauwarmes Mischbrot mit schöner Kruste auf dem Tisch.
Eigentlich alles falsch gemacht – aus ST Sicht – und trotzdem ein wunderbares Ergebnis.
Nur für die Figur fatal…
LG aus dem Brandenburgischen
Uli
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Dietmar Kappl
Peter du warst schon immer ein Tüftler 🙂 🙂 🙂
Ich war und bin einfach noch von der Saftigkeit und dem Aroma überwältigt!!!
Lg. Dietmar
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