Vom Getreide zum gewünschten Mehltyp – Teil 2
Bei der Vermahlung müssen verschiedene Arbeitsvorgänge stattfinden, denn bei der Mehlgewinnung müssen Schalenteilchen und Mehlkörper sorgfältig voneinander getrennt werden. Aber die sogenannte Kornfurche verhindert dass dies auf direktem Weg erfolgen kann. Das ist nur stufenweise über viele Vermahlungsschritte (Passagen) möglich. Das Prinzip der Vermahlung besteht darin, das Getreidekorn unter Schonung des Schalenzusammenhalts in viele grobe Stücke zu zerkleinern, sowie von diesen Stücken die Mehlteile nach und nach durch weiteres Zerkleinern abzulösen und durch Sieben abzutrennen, bis schließlich Mehle einerseits und Schalenteilchen anderseits übrigbleiben.
Nach dem Vermahlen wird je nach Ausmahlungsgrad der Mehltyp festgelegt. Mehltypen sind Bezeichnungen für bestimmte nominierte Mehle. Die Bestimmung erfolgt durch die Festlegung des Mineralstoffgehalts (Aschegehalt), der abhängig ist vom Anteil an mineralstoffreichen Schalenteilchen.
Mehltypen
Bestimmung der Mehltypen:
Die Mehlproben (100g) werden in einem Muffelofen bei 900°C / 2 Stunden verascht. Der zurückgebliebene Ascherückstand ergibt die Typenzahl. Beispiel: Bleiben beim Verbrennen von 100g Mehl ca. 480mg Mineralstoffe als Asche übrig, so spricht man vom Mehltyp 480. Alle Mehle mit niedriger Typenbezeichnung bestehen aus dem inneren des Mehlkern ohne Keimling. Im Gegensatz zu Mehlen mit hohen Typenbezeichnungen (auch Vollkornmehle und Schrote) beinhalten Randschichten und Keimling des Korns. Sie sind Hochwertig und sollten daher auch rasch aufgebraucht werden.
Typenbezeichnungen:
Österreichische Mehle:
- Weizenmehl Type 480
- Weizenmehl Type 700
- Weizenmehl Type 1600
- Vollkornmehl
- Roggenmehl Type 500 (Vorschußmehl)
- Roggenmehl Type 960 (Brotmehl)
- Roggenmehl Type 2500 (Schwarzroggen)
- Roggenvollkornmehl
- Dinkelmehl Type 630/700
- Dinkelmehl Type 812
- Dinkelmehl Type 1050
Deutsche Mehle:
- Weizenmehl Type 405 (Österreich – W/480)
- Weizenmehl Type 550
- Weizenmehl Type 630
- Weizenmehl Type 812 (Österreich – W/700)
- Weizenmehl Type 1050 (Österreich – W/1600)
- Weizenmehl Type 1600 (Österreich – Vollkornmehl)
- Roggenmehl Type 815 (Österreich – R/500)
- Roggenmehl Type 997 (Österreich – heller R/960)
- Roggenmehl Type 1150 (Österreich – R/960)
- Roggenmehl Type 1370
- Roggenmehl Type 1800 (Roggenvollkornmehl)
Schweizer Mehle:
- Weissmehl Type 400 (Österreich – W480)
- Weissmehl Type 550
- Halbweissmehl Type 720 (Österreich – W700)
- Ruchmehl Type 1100 (Österreich – W1600)
- Vollkornmehl Type 1900 (Österreich – Vollkornmehl)
- Roggenmehl hell Type 720 (Österreich -R/500)
- Roggenmehl dunkel Type 1100 (Österreich -R/960)
- Roggenvollkornmehl Type 1900 (Österreich -Roggenvollkornmehl)
(In Schweizer Rezepturen sind Mehle oftmals als Weiss-, Halbweiss-, oder als Ruchmehl angeführt.)
Französische Mehle:
- Farine T-45 (Österreich – W480)
- Farine T-55
- Farine T-65 (Österreich – W700)
- Farine T-80 (Österreich – W1600)
- Farine T-110
- Farine T-150 (Österreich – Vollkornmehl)
- Farine de seigle T-70 (Österreichisch – R500)
- Farine de seigle T-130 (Österreichisch – R960)
- Farine de seigle T-170 (Österreichisch – Vollkornmehl)
Italienische Mehle:
- Farina di grano tenero tipo 00 (Österreich – W480)
- Farina di grano tenero tipo 0
- Farina di grano tenero tipo 1 (Österreich – W700)
- Farina di grano tenero tipo 2 (Österreich – W1600)
- Farina intergrale die grano tenero (Österreich – Vollkornmehl)
Amerikanische Mehle:
- pastry cake flour 8,5-9,5% Proteine (Österreich – W480)
- all purpose flour 10,5-11,5% Proteine (Österreich – W700)
- bread flour 11-12,5% Proteine
- high gluten flour / Strong bread 12-14% Proteine
- first clear flour 13-15 %Proteine (Österreich – W1600)
- white whole grain 13,8% Proteine (Österreich – Vollkornmehl)
- rye flour/Roggenmehl
- white flour 6,5-7,5% Proteine (Österreich – R500)
- white flour 7-8% Proteine (Österreich – R960)
- white flour 8-9% Proteine (Österreich – R960)
- medium flour 9-10% Proteine (Österreich – R960+R2500/4:1)
- whole grain 9-10,5% Proteine (Österreich – Vollkornmehl)
- Rye meal 11-12% Proteine (Österreich – R2500)
(Die in Klammer stehenden Österreichischen Mehltypen sind nur Richtwerte zum Vergleichen, aber kein direkter Austausch!)
Spezialmehle
Spezialmehle unterscheiden sich von den Backmehlen entweder in ihrer Zusammensetzung oder durch den Verwendungszweck.
Grieße:
Sie sind die gröbsten Mehlkörperteilchen. Es wird zwischen groben, mittleren und feinen Grießen unterschieden. Grieße haben einen sandigen Griff.
Dunste:
Der Feinheitsgrad liegt zwischen Mehl und Grieß. Dunst ist sehr griffig.
Koppen:
Koppen sind Mehlkörperteilchen, denen Schale angehaftet. Sie werden Grieß- und Dunstputzmaschinen zugeführt.
Kleie:
Kleie ist der Sammelbegriff für alle Teile des Getreidekorns, die bei der Vermahlung ausgesondert werden. Auf Grund ihrer Inhaltssoffe ist Kleie ein hochwertiges Futtermittel
Grahammehl:
Innerhalb der Spezialvollkornmehle ist das Grahammehl der meistverbreitete Mehltyp, der in unterschiedlichen Mengen und Granulationen (fein, mittel, grob) auch bei verschiedenen Spezialbroten Verwendung findet.
Schrotmehl:
Weizen- und Roggenschrote in unterschiedlichen Granulationen werden vorwiegend als Ganzkornmehle bei Mehrkorn- und dunklen Spezialbroten eingesetzt. Wird ein nicht zu großes Brotvolumen erwünscht, dann sollte eher der grobe Schrot zu Einsatz kommen. Wird aber ein größeres Volumen und eine weichere Krume erwünscht, sollten Schrote mit hohem Feinschrotanteil oder Vollkornmehl fein verwendet werden.
Übersicht von Vollkornschroten und Backschroten:
Schnittkorn (grob geschnittene Getreidekörner)
Anforderungen: möglichst keine ganzen Körner, keine kleinen Kornpartikel, keine Mehlanteile
Extra grob (geschnittene oder wenig gebrochene Kornpartikel)
Anforderungen: wenig ganze Körner, die Körner sollen angerissen sein, wenig kleine Kornpartikel
Grob (mehrmals gebrochene oder geschnittene Körner)
Anforderungen: wenig kleine/ganz Körner, Ganzkornanteil unter 10%, kein stark gesplitterten Körner, kein Feinmehl, keine kleinen Kornpartikel
Mittel (gleichmäßig mittlere Korngranulation)
Anforderungen: kein ganzes Korn, keine sehr groben Kornpartikel, wenig feine Kornpartikel
Fein (gleichmäßig feine Kornpartikel)
Anforderungen: keine ganzen Körner, keine groben oder mittleren Kornpartikel,
Extra fein (mehlartiger Feinschrot, mit sehr feiner Körnung)
Anforderungen: keine ganzen/größeren Kornpartikel, erhöhter Anteil an griffigen Mehlbestandteilen
Gequetschte oder Kornflocken
Merke: Feine und weiche Schrote haben durch die starke Zerkleinerung des Getreidekornes eine große Oberfläche. Daher binden feine und weiche Schrote mehr Wasser als grobe und scharfe Schrote! Feinere Schrote füheren zu einer schnelleren Teigentwicklung und einer kürzeren Quellknetung.
Mehllagerung
Mit dem Aufbrechen des Korns beim Mahlvorgang setzten in Abhängigkeit des Ausmahlungsgrades, der Temperatur und Feuchtigkeit des Mahlprodukts sowie der Gegenwart von Sauerstoff biochemische Prozesse ein, die unterschiedliche Auswirkungen auf die Backeigenschaft haben.
Lagerbedingungen:
- Kühl (15-20°C) und trocken, Temperaturschwankungen gering halten (Gefahr von Luftfeuchtigkeitsaufnahme)
- Lichtgeschützt (Licht verändert die Mehlfarbe)
- frei von Fremdgerüchen (Mehl nimmt Fremdgerüche an)
Lagerdauer:
- helle Mehle nicht über 12-15 Wochen
- dunkle Mehle nicht über 8-10 Wochen (ranzig werden)
Mit zunehmender Lagerdauer verändern sich die Backtechnischen Eigenschaften der Mehle:
- höhere Wasseraufnahme durch Feuchtigkeitsverlust
- stärkere Glutenqualität durch den Reifeprozess
- kürzere Teigstruktur bei dunklen Mehlen
Frisch vermahlenes Mehl einer konventionellen Mühle zeigen nach einer Vermahlung oft ungenügende Backeigenschaften (nachlassen und breitlaufen der Teiglinge). Der Grund dafür ist eine noch unzureichende Glutenstruktur. Durch die Zugabe von Acorbinsäure wird die Mehlreifung beschleunigt.
Zwar sind die Teige durch die Behandlung von Ascorbinsäure sofort Backfähig, aber mit zunehmender Lagerzeit verändert sich die Glutenstruktur. Die Folge sind zähe und bockige Teige.
Mehlqualität durch Laboruntersuchungen
Farinogramm
Das Farinogramm gibt Aufschluss über die Wasseraufnahmefähigkeit (Teigausbeute – TA) des Mehls und das Knet- und Teigverhalten. Die Messeinrichtung ist ein “Farinograph” und das aufgezeichnete Diagramm wird als “Farinogramm” bezeichnet. Messeinheiten BE (Brabender Einheit)
- Wasseraufnahme 500 BE – Teigkonzistenz entspricht einem Semmelteig
- Wasseraufnahme 360 BE – entspricht einem normalen Brotteig
Das Farinogramm liefert folgende Werte:
- Wasseraufnahmefähigkeit des Mehls (TA)
- Teigentwicklungszeit (Knetdauer und Knetintensivität)
- Teigstabilität (Stelligkeit der Teige)
- Teigresistenz (Knettoleranz)
- Teigerweichung (nachlassen der Teige)
Durchschnittliche Wasseraufnahme:
- Weizenmehl Type 480 60-65%
- Weizenmehl Type 700 66-68%
- Roggenmehl Type 960 72-75%
- Dinkelmehl Type 630 55-63%
Extensogramm
Das Extensogramm charaktisiert die Glutenstruktur des Teiges. Teigstränge werden nach unterschiedlich langer Teigruhe von 45, 90 und 135 Minuten mittels einer speziellen Vorrichtung bis zum zerreissen gedehnt. Der im Teig vorhandene Dehnwiederstand wird dabei gemessen und als “Extensogramm” bezeichnet. Anhand des Diagrammes lassen sich Aussagen über die Glutenqualität, Verarbeitungseigenschaften, Gärstabilität und Gärtoleranz des Teiges machen, sowie auch über den Gebäcksausbund (Backvolumen).
Hohe Werte weisen auf starke Gluten hin
- Überbehandlung des Mehls mit Vitamin C (Ascorbinsäure)
- Beigabe von Trockengluten
- Überlagerung des Mehls
Auswirkung:
- zähe, kurze Teigbeschaffenheit (der Teig zieht sich gerne zusammen)
- empfindlich auf eine zusätzliche Teigsäuerung (Vorteige, lange Teigführung)
- mangelhafter Ofentrieb (kleines Volumen)
- kurze, elastische Krumenstruktur
Korrektur:
- intensiveres Kneten der Teige
- kürzere Teigführung
- Teige nicht aufziehen
- Ofentemperatur etwas reduzieren
- Beigabe von 5% Roggen oder Dinkelmehl
Tiefe Werte weisen auf schwache Gluten hin
Auswirkungen
- mangelhafte Wasseraufnahme
- starkes Nachlassen der Teige (Teige werden während der Aufarbeitung weich)
- geringe Gärtoleranz (verträgt keine volle Gare)
- flache Brotform
- gedrungenes Volumen (kleines Brot und Gebäck)
Korrektur:
- schonenderes Kneten der Teige (länger am ersten Gang kneten)
- kühlere Triebführung (Teigtemp. etwas senken)
- Teige ansäuern (Vorteige, Sauerteige)
Amylogramm
Das Amylogramm zeigt die Verkleisterungseigenschaften der Stärke und ermöglicht Rückschlüsse auf das Triebverhalten der Teige und die Krumenstruktur der Gebäcke. Das aufgezeichnete Diagramm wird als “Amylogramm” bezeichnet. Mehl und Wasser werden aufgeschlämmt, und in einem drehenden Messtopf um 1,5°C pro Minute auf 95°c erwärmt (der vorgetäuschte Backprozess). Die Mehlstärke quillt auf und verkleistert. Der Verkleisterungbeginn liegt bei 55-70°C und erreicht sein max. zwischen 80-90°C. Verkleisterungsbeginn:
- Roggenstärke ca. 55-60°C
- Weizenstärke ca. 60-65°C
Hohe Stärkeverkleisterung:
Auswirkung:
- gehemmte Triebfähigkeit (wenig Ausbund/ Volumen)
- bleiche, matte Gebäcksfarbe
- strohige, trockene Krume (die Krume neigt zum Bröseln)
- schnelles austrocknen der Krume
- langsame Gare
- fader Geschmack
Korrektur:
- Verwendung von Flüssigmalz
- weiche, warme Teige (fördern die Enzymaktivität)
- längere Teigruhen (intesiver Stärkeabbau)
- höhere Backtemperatur
Niedrige Stärkeverkleisterung: (Mehle mit Auswuchsschaden)
Auswirkung:
- starke Triebfähigkeit (großes Volumen)
- nachlassende und klebrige Teige
- Tendenz zum Breitlaufen
- starke Krustenfärbung
- pappige / feuchte Krumenstruktur
- schnelle Gare
- unelastische Krume
Korrektur:
- feste, kühlere Teige
- verstärkte Teigsäuerung
- kurze, direkte Triebführung
- milde Backtemperatur
Zum Schluss möchte ich mich bei der Familie Forstner recht herzlich bedanken. Ich bin froh und zugleich stolz, einen solchen Mehllieferanten als Partner für unser tägliches Brot und Gebäck zu haben.
Danke euer Dietmar
154 Kommentare
Kommentar erstellen
Kommentar erstellen