Der Ofenschwaden – Teil 2
Durch die Schwadengabe wird eine relativ große Wärmemenge schlagartig auf die Teigoberfläche übertragen. Zwischen der Temperatur des Teigstücks von ca. 30°C und der des Schwadens von 100°C entsteht eine Kondensation. Dadurch gerinnen die Klebereiweißstoffe an der Oberfläche und geben ihr Wasser an die Stärke ab. Die Stärke verkleistert vollständig, und es entsteht eine dehnbare und gasdichte Oberhaut.
Die Erzeugung von Schwaden im Backofen erfordert eine verhältnismäßig große Energiemenge, so dass der Schwaden nicht überdosiert werden sollte!
Warum sollte beim Backen überhaupt eine Schwadengabe erfolgen:
Die meisten Brotsorten erfordern eine ausreichend feuchte Backatmosphäre für einen optimalen Ofentrieb. Bei unzureichender Feuchtigkeit bildet sich an der Teigoberfläche sofort eine trockene Haut, und somit wird eine optimale Ausdehnung verhindert.
- Die Oberfläche der Teigstücke soll feucht bleiben:
Der heiße Wasserdampf trifft auf die kühlere Oberfläche der Teigstücke und kondensiert, d.h. es bildet sich eine dünne Wasserschicht.
- Die feuchte Teigoberfläche kann dem Gasdruck von innen nachgeben:
Der Kleber bleibt auch im geronnenen Zustand leicht verschiebbar, solange genügend Wasser als Gleitfläche zur Verfügung steht und der Kleber noch nicht zu sehr verhärtet ist. Somit kann infolge des Ofentriebs eine Vergrößerung des Gebäcksvolumen erzielt werden.
- Der Temperaturanstieg an der Teigoberfläche wird gebremst:
Das auf der Teigoberfläche gebildete Kondenswasser wird durch die Backhitze augenblicklich wieder in Dampf verwandelt, dazu wird in der Teigoberfläche die zur Verdampfung notwendige Energie entzogen. Die Folge ist eine Abkühlung der Teigoberfläche was sofort wieder zu einer erneuten Kondensation von Dampf zu Wasser führt.
Durch die Schwadenzugabe wird also erreicht:
- daß die Gebäcke ein größeres Volumen erzielen
- daß die Kruste nicht aufreißt
- daß ein gutes Gebäcksvolumen entstehen kann
- auch erhält die Kruste durch die Befeuchtung der Teigoberfläche einen besseren Glanz
Die Schwadenmenge ist abhängig:
- vom Gärstand der Teiglinge:
– bei knapper Gare viel Schwaden – bei voller Gare weniger Schwaden
- von der Ofenhitze
– bei heißem Ofen viel Schwaden – bei kalten Ofen wenige Schwaden
- von der Gebäcksart
– für Weizengebäck viel Schwaden – für roggenmehlhaltige Gebäcke weniger Schwaden
Die Verweildauer des Schwadens:
- Bei kleberstarken Weizenkleingebäcken soll der Schwaden während der gesamten Backdauer im Herd verbleiben. Starker Kleber verhärtet beim Gerinnen schneller und intensiver. Nur durch viel und langer Einwirkzeit des Schwadens kann ein großes Gebäcksvolumen erzielt werden.
- Weizenbrote brauchen weniger Schwaden, der jedoch auch während der gesamten Backdauer im Ofen verbleiben soll.
- Bei Broten aus kleberschwachen Weizenmehlen, insbesondere aber bei roggenmehlhaltigen Broten muss der Schwaden nach 60-180 Sekunden abgelassen werden. Schwacher Weizenkleber, besonders aber Roggenkleber verhärten langsamer und geringer. Erst das Entweichen des Schwadens kann genügend feste Kruste entstehen.
- Bei bestimmten feinen Backwaren muss der Schwaden früher entfernt werden, weil die Teiglinge sonst in die Breite treiben würden. Dies erklärt sich aus der Schwächung des Klebers durch den höheren Fett/Butteranteil im Teig.
- Bei voller Gare Schwaden früher ablaufen lassen, den im Teig haben sich bereits genügend Gase entwickelt. Bei einer vollen Teigreife wird der Teig nachlassend und es ist eine schnelle Festigung der Kruste erforderlich.
- Bei knapper Gare muss der Schwaden später abgelassen werden. Durch die knappe Gare erfolgt noch ein starker Ofentrieb. Durch den zähen Kleber (geringe Teigreife) muss die Teigoberfläche länger dehnbar bleiben.
Backen von Laugengebäck:
Damit bei Laugengebäcken eine optimale, glänzende Gebäcksfarbe erzielt wird, sind diese ohne Schwaden und während der gesamten Backzeit mit offenen Zug zu backen. Mit den Dämpfen des Schwaden würde die an der Teigoberfläche haftende Lauge verdünnt. Somit würde eine matte, unansehnliche Gebäcksoberfläche entstehen.
107 Kommentare
Kommentar erstellen
Karin Anderson
Wie schön, wieder etwas dazuzulernen. Ich bin für meine Mini-Bäckerei ja auch auf meinen Normalo-Ofen angewiesen, bei dem ich das unterste Rost mit unglasierten Terracottafliesen ausgelegt habe.
Die unterschiedliche Beschwadung von Weizen- und Roggenbroten war mir völlig unbekannt, ich habe eigentlich immer nach Schema F (nach 10 Minuten oder halber Backzeit Tür aufmachen) geschwadet.
Hilft Vorheizen auf eine höhere Temperatur nicht dabei, die Ofentemperatur beim Einschieben der Brote und Schwaden nicht zu stark abfallen zu lassen?
Dietmar, ich würde die gern zu meiner Challenge einladen, ein Brot für Götz von Berlichingen zu kreieren, zu starke Ahnlehnung an mittelalterliche Brote (mit Gips und Sägemehl) ist nicht nötig, es soll nur ein Brot sein, das des alten Haudegens würdig ist. (Brotdoc Björn wird übrigens auch mitmachen). Einzelheiten, und wie ich auf diese Idee gekommen bin, findest du hier:
http://brotandbreaddeutsch.blogspot.com/2014/07/blog-event-ein-brot-fur-gotz-von.html
LG aus Maine,
Karin
Antwort erstellen
Dietmar Kappl
Hallo Karin,
klar hast du recht mit dem höheren aufheizen der Backtemperatur, weil durch den Schwaden die Temp. etwas zu rasch abfällt.
Meine Frage an dich: Wann wäre Einsendeschluss der Challenge, und welche Art von Brotsorte würdest du dir wünschen?
Lg. Dietmar
Antwort erstellen
michael
Vorneweg ein dickes Kompliment für diesen herausragenden Blog: Als Hobbybäcker ist man immer auf der Suche nach validen Informationen, die an dieser Stelle vom Enthusiasten und Profi mehr als erfüllt werden. Vielen Dank für diese großartige Hilfestellung !!!
Die Umsetzung der Schwadengabe ist für den Hobbybäcker sicherlich eines der größten Probleme, da der gewöhnliche Haushaltsbackofen – im Gegensatz zum Bäckerofen – hierfür einfach nicht vorbereitet ist. Die Dampferzeugung der Schwadengabe verbraucht einen wesentlichen Teil der Gesamtenergie im Backprozess innerhalb weniger Sekunden und wird im Bäckerofen offensichtlich durch die separate Aufheizung einer Metallkaskade erreicht, in die Wasser eingeschossen wird.
Mir ist nicht ganz klar in welchen Öfen die Backwaren dieses Blogs entstehen. Wenn es hier weitere Tipps und Erfahrungen zur technischen Umsetzung des Schwadens im einfachen Ofen gibt – wie z.B. von Schelli jüngst in seinem Blog beschrieben – fände ich das noch sehr hilfreich.
Antwort erstellen
Dietmar Kappl
Hallo Michael,
DANKE für dein Kompliment, den dies fordert mich immer wieder neue Beiträge zu schreiben 🙂
Ich gebe auch ehrlich zu, das ich manche Rezepte aus der Not in der Backstube gebacken habe. Zeitlich bin ich manchmal einfach am Limit, schäme mich aber keines Wegs dafür. Ich kann dir aber mit Sicherheit eines versprechen: Es ist nicht immer Technik, die das Endergebnis ausmachen. Wenn du 10 Bäcker und 10 Leser deiner Wahl ein Rezept dieses Blogs geben würdest, ich würde mich nicht trauen zu sagen, wer die besseren Ergebnisse liefert!
Aber nun zu deiner Frage: Durch das bloggen ist mir aufgefallen, das manche Leser immer wieder Probleme mit der Ofentemperatur in der Anbackphase haben. Dies hängt auf alle Fälle mit dem öffnen des Backofens zusammen. Wenn ich eine Herdhöhe in der Backstube messe, so beträgt diese 18-22cm. Unsere Öfen in der Backstube haben eine Herdhöhe von 18cm und die Herdplatten und Herddecken bestehen aus Stein! Wenn ich nun aber einen Haushaltsofen mit einem Backstein (meiner Cordierit) bestücke, so verbleiben immer noch 24cm bis zur Ofendecke! Würde man aber in die letzte obere Etage eine Schamottplatte legen, dann würden noch immer 18cm Backraumhöhe freibleiben. Die mit-aufgeheizte Schamottplatte würde somit als enormer Hitzespeicher die Wärme von oben wieder auf das Backgut abgeben. Dadurch würde die Backofentemperatur durch den Schwaden nicht so schnell abfallen 😉
Beim Schwaden immer Wanne mit Schrauben, Nägel, usw. aufheizen, und ein Glas Wasser in die Schale gießen – Vorsicht: Heißer Dampf!!!
Um eine Verbrennung zu vermeiden, kann auch eine Blumengießkanne oder eine Spritze (vom Doktor) helfen. Ich hoffe ich habe dir ein wenig weiter helfen können.
Schöne Grüße Dietmar
Antwort erstellen
Oliver
Hallo Dietmar,
auch von mir erst mal ein grosses Dankeschön für Deine tollen Rezepte und Tips!
Ich wusste gar nicht, dass es so viele Möglichkeiten des “Schwadens” gibt… 😉
Werde ich garantiert bei meinen nächsten Backversuchen mit einfliessen lassen…
Eine Frage bzgl. des Schwadens habe ich dennoch:
Nimmt man am besten kaltes, lauwarmes oder warmes Wasser zum Schwaden???
Viele Grüße aus München
Antwort erstellen
Dietmar Kappl
Hallo Oliver,
einfach lauwarmes Wasser nehmen 🙂
Grüße aus Linz, Dietmar
Antwort erstellen
Magdi
Hallo Dietmar, ich habe noch nie verstanden was “offener Zug” bedeutet. Entweder habe ich einen Backofen, wo man so etwas nicht einstellen kann, oder ich stehe einfach auf der Leitung. Deine Erläuterungen sind sehr interessant!!
Antwort erstellen
Dietmar Kappl
Hallo Magdi,
beim “offenen Zug” wird das Gebäck einfach nicht Geschwadet! Wer es aber genau nehmen möchte, öffnet einfach 1-2mal während der Backzeit kurz die Ofentür einen Spalt (den durch das Backen entsteht auch im Ofen ein leichter Eigenschwaden).
Würde es aber in einer späteren Backanleitung heißen: Mit offenen Zug fertig Backen, so ist einfach der Schwaden in der Backkammer abzulassen – um einfach mehr Kruste zu erreichen!
Ich hoffe ich habe dir den “offenen Zug” etwas näher erklären können 😉
Lg. Dietmar
Antwort erstellen
Hartmut
Servus Dietmar!
Wenn ich das so lese, bewege ich mich seit 35Jahren im ersten Lehrjahr. Ich bin auch immer wieder überrascht von meinen Backergebnissen, und auch zufrieden damit, obwohl es an Fachwissen meilenweit fehlt. Danke für die Haufen Zeit die du für uns opferst, und die dir ja woanders fehlt. Wo gibts denn so was noch.
Herzlich, Hartmut
Antwort erstellen
Samuel Kargl
Hallo Dietmar!
So eine detaillierte Beschreibung und auch Begründung hab ich noch nie gelesen. Danke für deine Mühe!
lg SAM
http://www.samskitchen.at
Antwort erstellen
Hubert
Das ist ja eine (fast) komplette Ausbildung zum Bäcker. Na ja, ein bissi Praxis, so 3 bis 5 Jahre, gehört auch noch dazu. Vielen Dank für die klaren und logischen Erklärungen.
Hubert
Antwort erstellen
Dietmar Kappl
Hallo Hubert,
freut mich das du den Blog als Ausbildung zum Bäcker nimmst 😉
Schöne Grüße Dietmar
Antwort erstellen
Marlene
Danke fuer die super Infos Tipps zum Thema Schwaden 🙂
Antwort erstellen
Boris Zrost
😄 Danke für die Erfahrungsberichte! Hast du einen Backstein probiert? Ich werde berichten wie das erste aus dem DGC wird!
Antwort erstellen
Kommentar erstellen